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Die Geschichte der Gestalttherapie

Aus Gründen der Einfachheit wird in diesem Blogbeitrag auf eine gendergerechte Sprache verzichtet. Alle Menschen, unabhängig vom Geschlecht, sind gleichermaßen angesprochen.

Wie alles begann​

Laura Perls wuchs in Pforzheim auf und stammte aus einer jüdischen Juwelierfamilie. Sie besuchte als einziges Mädchen in der Klasse das Reuchlin-Gymnasium und begann im Jahr 1923 ihr Studium in Frankfurt am Main.
 
Fritz Perls stammt aus deiner deutsch-jüdischen Familie und begann sein Studium der Medizin 1914. Er wurde im Jahr 1921 zum Dr. med. promoviert und begann seine psychoanalytische Ausbildung.
 
Fritz und Laura Perls (früher: Lore Posner) sind die Begründer der Gestalttherapie. Auf einer Veranstaltung des Gestaltpsychologen Adhémar Geld und des Neurologen Kurt Goldstein lernten sie sich im Jahr 1926 kennen. Fritz Perls befand sich zu diesem Zeitpunkt in psychoanalytischer Ausbildung und war bereits als Assistent von Goldstein tätig. Adhémar Geld war der Vater von Lore Posner, die zu dieser Zeit bereits Gestaltpsychologin war und wenige Zeit später ihre Ausbildung in der Psychoanalytik begann.

Flucht vor Nationalsozialisten​

Als im Jahr 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, war Laura Posner im antifaschistischen Widerstand aktiv. Doch schon bald wurde sie zur Flucht gezwungen. Sie floh mit ihrer Tochter Renate in die Niederlande. Dieser Aufenthalt war aber nur von kurzer Dauer. Sie flüchteten sodann ins Exil nach Südafrika. Hier arbeiteten sie zusammen einem Buch. Dieses sollte – obwohl es den Begriff der Gestalttherapie nicht enthält – eben diese markieren: 1944 erschien das Buch zum ersten Mal unter dem Namen „Das Ich, der Hunger und die Aggression“. Der Begriff Gewahrsein (im englischen Awareness) bildet von Anfang an ein grundlegendes Element in dieser Form der Therapie. Diese Lektüre enthält bereits praktische Übungen zur Förderung des Bewusstseins. Diese sind zur Unterstützung im therapeutischen Prozess von großer Bedeutung. Um die Bedeutung der bewussten Wahrnehmung besser beschreiben zu können, kommen in dem Buch Begriffe wie „Konzentration“ und „Konzentrationstherapie“ vor. Perls geht äußerst gut auf die Konzentration ein und unterscheidet hierbei zwischen Aufmerksamkeit, Interesse und „negative Konzentration“. Unter dieser „negativen Konzentration“ versteht er die Art der Konzentration, die unweigerlich zu einem verengten Blickwinkel führt.

Verschiedene Stile bilden sich heraus

Seit dem Erscheinen des Buches von Fritz Perls, Paul Goodman und Ralph F. Hefferline kann man offiziell von gestalttherapeutischer Praxis sprechen. Dieses Buch erschien im Jahr 1951. Nach der Phase der Gründung der Therapie in den USA haben sich auch in Europa diverse Varianten und Stile herausgebildet. Wesentlich beigetragen hat hierzu die Hinterlassenschaft der Gründungsphase, die praktisch und auch theoretisch ein großes Maß an Vielseitigkeit zulässt. In der Folge kam auch die differenzierte Arbeitsweise von Fritz und Laura Perls hinzu.
 
Fritz Perls zog nach der Trennung von seiner Frau an die amerikanische Westküste. Er praktizierte einen konfrontativen, eher harten Stil der Therapie, während sich seine Frau, die an der Ostküste lebte, zu einer integrativen und weichen Therapieform entschied.
 
Isodore Form war an der Gründung des Gestalt-Instituts in Cleveland beteiligt und gehört zu den wichtigsten Gestalttherapeuten, die mit Laura Perls zusammenarbeiteten.
 
Jim Simkin arbeitete zunächst mit Fritz Perls zusammen, gründete dann jedoch nahe der Stadt Esalen sein eigenes Zentrum zur Ausbildung von Gestalttherapeuten. Miriam und Erving Polster verrichteten ihre Tätigkeit in San Diego. 1973 gaben sie die erste Gesamtdarstellung der Gestalttherapie mit dem Namen „Gestalt Therapy Integrated“ heraus. Dies geschah zeitgleich zu Joel Latner´s „Gestalt Theory Book„.
 
Fritz Perls verfügte auf Vancouver Island in Kanada am Lake Cowichan über eine Gestaltgemeinschaft, in der auch Barry Stevens am 1969 zusammen mit Perls arbeitete. Barry Stevens befasste sich mit dem Körper-Aspekt des Organismus in der Gestalttherapie. Sie entwickelte ihren persönlichen Stil und betonte dabei vor allem die gestalttherapeutische Form von Körperbewusstsein.
 
Unter anderem waren Gerhard Heik Portele und Hilarion Petzold dafür verantwortlich, dass die Gestalttherapie auch in Deutschland bekannt wurde.

Kampf um rechtliche Anerkennung​

Die Form der Therapie wird in Deutschland gerne in Kliniken und durch Therapeuten angewendet. In Österreich und der Schweiz kann – im Gegensatz zu Deutschland – die Therapie abgerechnet werden. Im Jahr 2000 wurde das Psychotherapeutengesetz wirksam, das jedoch nur die fundierte tiefenpsychologische Therapie und die Verhaltenstherapie anerkennt. Jedoch kommt es bei der Anerkennung nicht nur auf die Qualität der Therapie an. Hier spielen auch politische Prozesse eine Rolle. Aus diesem Grund kämpfen humanistische Verfahren (z. B. Gestalttherapie) um die Anerkennung im rechtlichen Sinn. Laut Claus Grawe ist die Wirksamkeit der Gestalttherapie den anderen Formen der Therapien (bis auf die Verhaltenstherapie) ähnlich.

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Patrick Raulin

Als Heilpraktiker für Psychotherapie und Gestalttherapeut (IGE) unterstütze ich Menschen bei Depressionen, traumatischen Erlebnissen, Angststörungen sowie Anpassungsstörungen. In meiner Praxis für Psychotherapie (HeilprG) und Coaching in Rosenheim begleite ich zudem auch im beruflichen Kontext, bei zwischenmenschlichen und strukturellen Herausforderungen.

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